Die Berechnung von Wechselstromnetzen bei sinusförmiger Erregung wird mit der komplexen Rechnung erleichtert.
→ Transformation von Differentialgleichungen in algebraische Gleichungen (siehe Abb. 19.9.1) .
Ströme und Spannungen bei Schaltvorgängen sind keine sinusförmigen Wechselgrößen.
Die Lösung von Ausgleichsvorgängen mit Differentialgleichungen kann mit Hilfe der Laplace-Transformation ebenso vereinfacht werden wie die Berechnung von Netzwerken mit der komplexen Rechnung.
→ Transformation von Differentialgleichungen mit Anfangsbedingungen in algebraische Gleichungen (siehe Abb. 19.9.2) .
→ Die Zeitfunktionen sind erst ab t = 0 von Interesse!
Die Transformationsgleichung der Laplace-Transformation einer Zeitfunktion ist das uneigentliche Integral
| (19.9.1) |
mit der komplexen Frequenz
| (19.9.2) |
Die Einheit von s ergibt sich aus dem Argument der Exponentialfunktion zu „Hertz“
Zur Transformation von Differentialgleichungen muss die Laplace-Transformation der Ableitung einer Zeitfunktion berechenbar sein.
→ Damit sich wie behauptet algebraische Gleichungen ergeben, muss die Differentiation im Zeitbereich einer Multiplikation mit dem Operator im Bildbereich entsprechen.
In elektrischen Ausgleichsvorgängen sind Spannung am Kondensator und der Strom durch die Spule stetige Zeitfunktionen, deren Laplace-Transformation der 1. Ableitung mit Hilfe der partiellen Integration bestimmt werden kann
Die Integration liefert den Anfangswert der Zeitfunktion
| (19.9.4) |
Die Laplace-Transformierte einer Funktion f(t) wird damit mit der Produktintegration zu
| (19.9.5) |
Damit kann die Laplace-Transformierte der Ableitung einer Funktion f′(t) durch Multiplikation mit s und Subtraktion des Anfangswertes der Zeitfunktion f(t = 0) gebildet werden, wenn die Laplace-Transformierte der Zeitfunktion f(t) bekannt ist
| (19.9.6) |
→ Die Laplace-Transformierte der 2. Ableitung einer Funktion f′′(t) lässt sich entsprechend iterativ auf die die Laplace-Transformierte der 1. Ableitung zurückführen
Bei der Aufstellung von DGLs mit der Maschen- oder Knotenpotentialanalyse ergeben sich integrale Zusammenhänge für Kondensatorspannungen und Spulenströme.
→ Analog zur Bestimmung der Laplace-Transformierten der Ableitung einer Funktion kann die Laplace-Transformierte des Integrals einer Funktion wieder mit partieller Integration ermittelt werden
| (19.9.8) |
mit den beiden Funktionen der Produktintegration
Unter Auslassen der mathematischen Zwischenschritte ergibt sich als Ergebnis
| (19.9.9) |
→ Die Bildfunktion F(s) wird durch s dividiert.
→ Die fehlenden Zwischenschritte werden vielleicht in der Mathematik gegeben …bestimmt aber, wenn an passender Stelle nachgefragt wird!
Die Berechnung von komplizierten Ausgleichsvorgängen wäre sehr aufwendig, wenn bei jeder Transformation das Laplace-Integral gelöst werden müsste
→ Es existieren Korrespondenz-Tabellen mir Zeitfunktionen und deren Transformierter (Weißgerber, 2000, Seite 86-91), die sowohl zur Hin- als auch zur Rücktransformation verwendet werden können.
Die Rücktransformation bedeutet die Lösung des Integrals
| (19.9.10) |
→ Dass dieses Umkehrintegral von der Bildfunktion F(s) zu der Zeitfunktion f(t) führt, wurde mit der Fourierreihe und der Fourier-Transformation hergeleitet.
Für die Praxis kann die Berechnung des Laplace-Integrals durch die Anwendung folgender Sätze (ohne mathematische Herleitung) oft vereinfacht werden:
| (19.9.11) |
| (19.9.12) |
| (19.9.13) |
| (19.9.14) |
| (19.9.15) |
| (19.9.16) |
| (19.9.17) |
| (19.9.18) |
| (19.9.19) |
Die Transformation einer Gleichspannung
| (19.9.20) |
ergibt formal die Laplace-Transformierte
| (19.9.21) |
und mit der Integration
| (19.9.22) |
Die Transformation einer sinusförmigen Wechselspannung
| (19.9.23) |
ergibt formal die Laplace-Transformierte
| (19.9.24) |
Mit dem Integral 322 (Weißgerber, 2000, Seite 462)
kann mit a = −s und b = ω die Integration durchgeführt werden
| (19.9.25) |
Die Laplace-Transformierte einer kosinusförmigen Wechselspannung ergibt analog
| (19.9.26) |
Die Transformation einer sinusförmigen Wechselspannung mit Anfangsphase
| (19.9.27) |
ergibt formal die Laplace-Transformierte
| (19.9.28) |
Mit der trigonometrischen Beziehung
und dem Additionssatz wird daraus
| (19.9.29) |
Als Beispiel wird die bereits bekannte Schaltung mit einer Spule verwendet, bei der eine Wechselspannung entsprechend Abb. 19.9.3 geschaltet wird.
Nach Gln. 19.5.9 war die DGL
mit dem Ersatzwiderstand und der Ersatzinduktivität
Die Laplace-Transformierte der Eingangsspannung ist mit Gln. 19.9.29
| (19.9.30) |
mit der Anfangsbedingung iL(0) = 0
Die Laplace-Transformierte des Spulenstromes wird damit
| (19.9.31) |
Mit der Rücktransformation 101 (Weißgerber, 2000, Seite 91)
mit
kann der Spulenstrom im Zeitbereich bestimmt werden
| (19.9.32) |
Der Vergleich mit der Korrespondenz ergibt
Wir erhalten direkt das Ergebnis zu
Bei vielen Ausgleichsvorgängen sind die Zustandsgrößen, die Ströme durch Spulen und die Spannungen an Kondensatoren bis zum Zeitpunkt des Schaltens Null.
→ Die Anfangsbedingungen verschwinden und die Laplace-Transformierte der Ableitungen vereinfachen sich.
Es ergeben sich damit Zusammenhänge mit reellen und komplexen Operatoren zwischen den Laplace-Transformierten der Spannungen und der Ströme an Bauelementen (siehe Tab. 19.2) .
Widerstand | Spule | Kondensator | |
Zeitbereich | u(t) = Ri(t) | u(t) = L | u(t) = ∫ idt |
(Original) | i(t) = u(t) | i(t) = ∫ udt | i(t) = C |
Bildbereich | U(s) = RI(s) | U(s) = sL ⋅ I(s) | U(s) = ⋅ I(s) |
(Transf.) | I(s) = U(s) | I(s) = ⋅ U(s) | I(s) = sC ⋅ U(s) |
Als Lösungsmethoden für die Berechnung von Ausgleichsvorgängen bieten sich damit 3 Verfahren an, die in Abb. 19.9.4 dargestellt sind.
Sind bei Ausgleichsvorgängen die Zustandsgrößen Spulenstrom und Kondensatorspannung vor dem Zeitpunkt des Schaltens nicht Null, so können die Laplace-Operatoren aus Tab.19.2 nicht verwendet werden.
Die Kirchhoffschen Gleichungen gelten analog zur Wechselstromlehre im Laplace-Bildbereich mit der Maschengleichung
| (19.9.34) |
und der Knotengleichung
| (19.9.35) |
→ Speichernde Bauelemente aus einem ungeladenen Bauelement und einer aktiven Quelle zusammensetzen.
Die Anfangsbedingungen werden als zusätzliche Strom- und Spannungsquellen in das Ersatzschaltbild mit komplexen Operatoren eingeführt entsprechend Abb. 19.9.5 .
Wir erhalten damit die Laplace-Transformierten der Spannungen und der Ströme an den Bauelementen (siehe Tab. 19.2) .
Bauteil | Spannung | Strom |
Widerstrand | UR = RIR | IR = |
Spule | UL = sIL − L ⋅ iL(0+) | IL = ⋅ UL + |
Kondensator | UC = ⋅ IC + | IC = C(sUC − uC(0+)) |
Hat man den Strom durch einen Kondensator im Bildbereich berechnet, so kann die Spannung über dem Kondensator mit dem komplexen Operator ZC = 1∕sC berechnet werden, wenn man nach der Rücktransformation in den Zeitbereich noch die Anfangsspannung des Kondensators zum Ergebnis addiert.
Es ist der zeitliche Verlauf der Spannung uC zu bestimmen. Das Ergebnis ist grafisch darzustellen. (Der Schaltzeitpunkt entspreche dem Zeitpunkt t = 0.)
Die Lösung wird in der Vorlesung erarbeitet. Ergebnisse für den Vergleich der eigenen Lösung sind: