19.6 Wechselspannung an Reihenschwingkreis

RLC:

Als letztes soll nun eine Wechselspannung an einen RLC-Reihenschwingkreis entsprechend Abb. 19.6.1 geschaltet werden. Gesucht ist der Strom i(t) nach dem Schalten7.


PIC

PIC

Abbildung 19.6.1: Geschaltete Wechselspannung an einen RLC-Schwingkreis und LTspice-Simulation

Würde hier anstelle der Wechselspannung eine Gleichspannung geschaltet, so wäre aufgrund des Kondensators der eingeschwungene Zustand gleich dem Ausgleichsvorgang.

1. DGL:

Aus der Maschengleichung

       uR + uL∫+ uC   =  u
Ri + L di+  1-   idt  =  ˆu sin (ωt + φ )             (19.6.1)
       dt   C                        u
ergibt sich mit einmaliger Differentiation die DGL8
 2
d-i   R-  di   -1--     uˆ
 dt + L  ⋅dt + LC  i = ωL cos(ωt + φu )
(19.6.2)

2. Netzwerkber.:

Die Berechnung der partikulären Lösung des eingeschwungenen Strom ergibt im Bildbereich

            U-            U-     U ⋅ ejφu
Ie = -----------------=  ---- = -------jφ
     R +  j(XL  + XC  )   Zesb   Zesb ⋅ e
(19.6.3)

Die Rücktransformation der komplexen Zeitfunktion liefert den eingeschwungenen Strom

i =  -ˆu--sin(ωt + φ  − φ ) = ˆi sin(ωt + φ )
 e   Zesb          u         e           ie
(19.6.4)

3. Hom. DGL:

In die homogene DGL

d2i   R-  di   -1--
dt  + L ⋅ dt + LC  ⋅ i = 0
(19.6.5)

wird der allgemeine Exponentialansatz

                                   2
if = K  ⋅ eλt ,  dif = λ ⋅ if ,   d-if = λ2 ⋅ if
                  dt               dt

eingesetzt

λ2if + R-λif + -1--if =  0
       L       LC

und ergibt so die charakteristische Gleichung

    (     R      1  )
if   λ2 + --λ + ----   =  0
    ◟-----L-◝◜---LC--◞
  charakteristische Gleichung

Die Lösung dieser quadratischen Gleichung ist9

              ∘ (---)2--------
λ   = − -R- ±    -R-   −  -1--
 1,2     2L       2L       LC
(19.6.6)

Kenngrößen:

Eine alternative Darstellung der Nullstellen λ1,2 des charakteritischen Polynoms ergibt sich mit den Kenngrößen der Schwingkreise. Mit dem Kennwiderstand

       ∘---
         L-
XK  =    C

und der Güte

Q =  XK--
      R

bzw. der Dämpfung

     1
d =  --
     Q

wird der Dämpfungsgrad zu

                                     ∘ ---
    d     1      R         R       R   C
ϑ = --=  --- = ------=  -∘------=  --  --
    2    2Q    2XKr     2  L ∕C    2   L
(19.6.7)

Mit der Resonanzfrequenz

       1
ωr = √-----
       LC

wird das Produkt zu

                ∘ ---    ∘ ------
         1    R   C    R     C      R
ωrϑ =  √-----⋅--  -- = --   -----=  ---
         LC   2   L     2   LCL     2L
(19.6.8)

Eingesetzt in die Ergebnisgleichung erhalten wir damit

                 ∘ --------------
            R      ( R  )2    1
λ1,2  =  − 2L- ±     2L-  −  LC--
                  ∘----------
      =  − ωrϑ ±   ω2rϑ2 − ω2r
                  √ --2----
      =  ωr (− ϑ ±  ϑ  − 1 )                     (19.6.9)
4. Konstanten:

Es gibt drei unterschiedliche Fälle

Fall 1:

Im Aperiodischen Fall für ϑ > 1 gibt es zwei unterschiedliche negativ reelle Lösungen

                √ -------
λ1  =  ωr (− ϑ − √ ϑ2-−-1)
λ2  =  ωr (− ϑ +   ϑ2 − 1)                   (19.6.10)
Eingesetzt in die Lösung der homogenen DGL wird
         λ t      λ t
if = K1e  1 + K2e  2
(19.6.11)

Da sich der Spulenstrom nicht sprunghaft ändert, ergibt sich aus der Anfangsbedingung

i(0− ) = i(0+) = ie(0+) + if(0+ )
(19.6.12)

die erste Gleichung zur Bestimmung der Konstanten

0 = ˆiesinφie +K1  + K2
    ◟--◝◜--◞
       ˆie0
(19.6.13)

oder

K1   =   −ˆie0 − K2
          ˆ
K2   =   −ie0 − K1
                                         (19.6.14)

Da sich die Kondensatorspannung nur stetig von uC0 = 0 ändern kann und die Spannung am Widerstand (if0 = iL0 = 0) für t = 0 ebenfalls Null ist muss die Spulenspannung gleich der eingeprägten Spannung zum Schaltzeitpunkt sein

               |       (    |        |  )
            diL||         die||     dif||
uL(0+ ) = L dt-||   = L ( dt-||  +  dt-||  ) = uˆsinφu =  ˆu0
                0+           0+        0+
(19.6.15)

mit der Ableitung des eingeschwungenen Stromanteils

   ||                       ||
die||  =  -d(ˆi sin(ωt + φ  )||  = ˆi ω cos(φ  )
dt |0    dt  e          ie |0    ◟e---◝◜--ie◞
     +                      +        ˆie1
(19.6.16)

und der Ableitung des flüchtigen Stromanteils

   ||
dif||  =  K1 λ1 + K2λ2
dt |0+
(19.6.17)

ergibt sich die zweite Bestimmungsgleichung zu

ˆ                     ˆu0-
 ie1 + K1 λ1 + K2λ2 =  L
(19.6.18)

Durch einsetzen von K2 = (îe0 + K1) erhalten wir

                            ˆu
ˆie1 + K1 λ1 − (ˆie0 + K1 )λ2 =--0
                             L
(19.6.19)

und weiter

K  (λ  − λ ) = uˆ0-− ˆi  + ˆi λ
  1  1    2     L    e1    e0 2
(19.6.20)

Für die zweite Konstante gehen wir entsprechend vor und erhalten damit beide Konstanten zu

        uˆ0   ˆ      ˆ
K   =   -L-−-ie1 +-λ2-ie0
 1          λ1 − λ2
        uˆ0 − ˆi  + λ ˆi
K2  =   -L----e1----1e0                    (19.6.21)
            λ2 − λ1
Fall 2:

Im Aperiodischen Grenzfall für ϑ = 1 gibt es nur eine Lösung

λ = λ1 =  λ2 = − ωr
(19.6.22)

Eingesetzt in die Lösung der homogenen DGL wird

                   λt
if = (K1 +  K2 ⋅ t)e
(19.6.23)

Aus dem stetigen Spulenstrom (Gln. 19.6.12) ergibt sich die erste Gleichung zur Bestimmung der Konstanten

0 = ˆie0 + K1
(19.6.24)

Für die stetige Kondensatorspannung (Gln. 19.6.15) benötigen wir wieder die Ableitung des flüchtigen Stromanteils10

di ||
--f||  =  K1 λ + K2 =  ˆu0
dt |0+
(19.6.25)

Die beiden Konstanten werden damit

          ˆ
K1   =  − ie0
K    =   ˆu0-+ λˆi  − ˆi                      (19.6.26)
  2      L      e0   e1
Fall 3:

Im Periodischen Fall für ϑ < 1 gibt es zwei zueinander konjugiert komplexe Lösungen

                    √ -------
λ1  =   − ωrϑ|− j ωr--1 −-ϑ2 = − a − jb
          ◟◝◜a◞   ◟    ◝b◜   ◞
                    √ -----2-
λ2  =   − ω◟r◝ϑ◜◞+j ω◟r---1◝ −◜-ϑ-◞= − a + jb            (19.6.27)
            a         b
die zu einer gedämpften Schwingung führen
 λt      −at       jbt
e   =   e◟◝◜◞  ⋅   e◟◝◜◞
      D¨ampfung  Schwingung
(19.6.28)

Eingesetzt in die Lösung der homogenen DGL wird

if = [K1 cos(bt) + K2 sin(bt)]e−at
(19.6.29)

Mit der Eigenkreisfrequenz des Schwingkreises11

           √ -------
b = ωd = ωr  1 − ϑ2
(19.6.30)

Aus dem stetigen Spulenstrom (Gln. 19.6.12) ergibt die erste Gleichung zur Bestimmung der Konstanten

0 = ˆie0 + K1
(19.6.31)

Für die stetige Kondensatorspannung (Gln. 19.6.15) benötigen wir wieder die Ableitung des flüchtigen Stromanteils. Mit dessen Ableitung

di ||
--f||    =  (− K1 ωdsinωdt + K2 ωd cosωdt))e−at
dt |0+
                                           −at||
           + (K1 cosωdt + K2 sin ωdt)(− a) e   |t=0
        =  K2 ωd − K1a                                  (19.6.32)
erhalten wir die zweite Bestimmungsgleichung zu
               ˆu0
ωdK2  − aK1  = ---− ˆie1
               L
(19.6.33)

Die beiden Konstanten werden damit

K1   =  − ˆie0
         ˆu0  ˆ      ˆ
K    =   L-−--ie1-−-aie0                    (19.6.34)
  2           ωd
6. Berechnung:

Die nachfolgenden Grafiken zeigen den Stromverlauf beim Einschalten eines RLC-Reihenschwingkreises an eine Wechselspannung (Frohne u. a., 2005, Seite 426) mit den konstante Werten û = 325 V, φu = 35, f = 50 Hz, L = 0,525 H, C = 0,3 µF und verändertem Widerstand R (siehe Tab. 19.1) für die drei Fälle12.


Fall R∕Ω ϑ K1A K2A fdHz






1 3600 1,36 0,07025 0,04195
2 2640 1,00 0,02822 287,783
3 250 0,09 0,02592 0,14136 399,24







Tabelle 19.1: Parameter der an Wechselspannung geschalteten RLC-Schaltung

Fall 1:

Im aperiodischen Fall verläuft der Strom beim Einschalten einer Wechselspannung an den RLC-Kreis entsprechend Abb. 19.6.2 ohne Schwingung gedämpft durch den ohmschen Widerstand.


PIC

Abbildung 19.6.2: Aperiodischer Stromverlauf beim Einschalten einer Wechselspannung

Fall 2:

Im aperiodischen Grenzfall verläuft der Strom beim Einschalten einer Wechselspannung an den RLC-Kreis entsprechend Abb. 19.6.3 ebenfalls ohne Schwingung gedämpft, aber mit der kürzest möglichen Einschwingzeit.


PIC

Abbildung 19.6.3: Aperiodischer Grenzfall des Stromverlaufs beim Einschalten einer Wechselspannung

Fall 3:

Im periodischen Fall verläuft der Strom beim Einschalten einer Wechselspannung an den RLC-Kreis entsprechend Abb. 19.6.3 mit einer Schwingung, bis er den stationären Zustand erreicht hat.


PIC

Abbildung 19.6.4: Periodischer Stromverlauf beim Einschalten einer Wechselspannung

7Schaltung mit R = 250Ω, LTspice-Simulation mit grün: i, blau uC, violett: u und rot: Schalten

8Aufgrund der zweiten Ableitung spricht man von einer DGL 2. Ordnung. Für eine RLC-Parallelschaltung an einer Stromquelle würde man die DGL als Funktion der Kondensatorspannung aufstellen.

9pq-Formel

10Für den Strom iL = ie + if bleibt die Ableitung îe1 gleich. Ableitung für if = f1(t) f2(t) mit mit der Produktregel: if = K2eλt + (K1 + K2t)λeλt

11Schwingung ohne peridische äußere Erregung

12fd ist die Eigenfrequenz des Schwingkreises