19.2 Trennen der Variablen

Beispiel:

Für t = 0 wird der Schalter zum Kontakt 1 in Abb. 19.2.1 geschlossen.


PIC

Abbildung 19.2.1: Schaltung zur Kondensatoraufladung

Zeit:

Die Zustandsgröße uC(t) wird von der Anfangsspannung3 uC(t = 0) = 0V mit der Zeit ansteigen bis zum stationären Endwert uC(t = ) = U0, wenn der Strom durch den Widerstand Null geworden ist.

Ausgleichsvorgang, aber wie genau?

Masche:

Aufgrund der Maschenregel gilt

U0 − uR − uC  = 0
(19.2.1)

Hierin ist U0 die zeitunabhängige Gleichspannung der Quelle und der Spannungsabfall am Widerstand uR und am Kondensator uC sind zeitabhängige Spannungen. Kleinbuchstaben kennzeichnen zeitabhängige Größen, d.h. u = u(t).

Bauelemente:

Mit den 2 bekannten Bauelementegleichungen

          duC
 iC   =  C ----                               (19.2.2)
           dt
uR   =  R  ⋅ iR = RC  duC-                    (19.2.3)
                     dt
wobei sich aus einer Knotengleichung iR = iC ergibt.
Masche:

In die Maschengleichung eingesetzt erhalten wir damit

         duC-
U0 −  RC  dt  − uC = 0
      ◟-u◝◜--◞
         R
(19.2.4)

DGL:

Das ergibt eine Differentialgleichung zur Bestimmung der Kondensatorspannung

duC-=  U0-−-uC-
 dt      RC
(19.2.5)

Lösung:

Gesucht ist uC, das diese DGL erfüllt. Die Lösung erhält man mit der Substitution

x =  U  − u
      0    C
(19.2.6)

und deren Ableitung

 dx
---- = − 1   →    duC =  − dx
duC
(19.2.7)

über

−-dx-= --x-
 dt    RC
(19.2.8)

und Trennen der Veränderlichen aus

1-       -1--
x dx = − RC  dt
(19.2.9)

Mit einer unbestimmten Integration folgt

∫ 1-       -1--∫
  x dx = − RC     dt
(19.2.10)

Das Ergebnis der Integration ist

          t
lnx =  − ----+ K
         RC
(19.2.11)

Ersetzen der Konstanten durch K = ln k liefert weiter

                  t
ln x − lnk  =   − RC--
     ( x)         t
   ln   --  =   − ----
       k         RC
        x  =   k ⋅ e− tRC
                   − tRC-
  U◟0-−◝◜uC◞ =   k ⋅ e                       (19.2.12)
     x
Aus der Anfangsbedingung von uC(t = 0) folgt
u  (t = 0) = 0 = U  − k ⋅ e−R0C   →    k = U
 C                0      ◟ ◝◜-◞             0
                           1
(19.2.13)

Spannung:

Damit erhalten wir die gesuchte Lösung zu

         (     −RtC-)
uC  = U0  1 − e
(19.2.14)

mit der Zeitkonstanten

τ = RC
(19.2.15)

Strom:

Mit Gln. 19.2.2 erhalten wir den Strom zu

       duC    U0    t
iC = C ---- = ---e− τ
        dt     R
(19.2.16)

Zeitkonstante:

Die Kondensatorspannung nach Gln. 19.2.14 würde aus jedem Zeitpunkt t = tx mit konstant gehaltener Steigung

duC-=  U0-e− tτ
 dt     τ
(19.2.17)

den Endwert U0 nach Ablauf der Zeit t = τ erreichen. Für tx = 0 ist dieses in Abb. 19.2.2 mit eingezeichnet.

Kennlinie:

Die Kondensatorspannung in Abb. 19.2.2 steigt nach einer Exponentialfunktion an und wird erst nach langer Zeit gleich der Spannung der Quelle. Der für den Anfangszeitpunkt maximale Strom nimmt mit der Zeit exponentiell gegen Null ab.

Normierte Funktionen: uC(x)∕ucmax = 1 exp(x) und iC(x)∕icmax = exp(x) mit x = t∕τ.


PIC

Abbildung 19.2.2: Spannung und Strom bei der Kondensatoraufladung

Entladung:

Nachdem der Kondensator aufgeladen ist, wird der Schalter in Abb. 19.2.1 in Stellung 2 gebracht. Aufgrund der Maschenregel gilt jetzt

uC −  uR = 0
(19.2.18)

und mit dem Kondensatorstrom, der entgegengesetzt zum Strom durch den Widerstand (uR = RiR = RiC) ist, erhalten wir

    uC + RiC   =   0
         duC-
uC + RC   dt   =   0
    RC
    ----⋅ duC  =   − uC                    (19.2.19)
     dt
DGL:

Entsprechend der Kondensatoraufladung ergibt sich die Ausgangsdifferentialgleichung durch Trennen der Variablen direkt zu

 1           1
---duC = − ----dt
uC         RC
(19.2.20)

Lösung:

Entsprechend der Kondensatoraufladung ergibt sich als Lösung der unbestimmten Integration

           t
ln uC =  − ----+ lnk
          RC
(19.2.21)

Spannung:

Mit der Anfangsbedingung uC(t = 0) = U0 wird die Kondensatorspannung zu

            -t-
uC =  U0 ⋅ e−RC
(19.2.22)

Strom:

Mit Gln. 19.2.2 erhalten wir den Strom zu

       duC      U0  − t
iC = C -dt- = − -R-e  τ
(19.2.23)

Auch hier springt der Kondensatorstrom im Schaltzeitpunkt von dem Wert iC(t0) = 0A auf den Wert iC(t+0) = U0∕R.

Kennlinie:

Die Kondensatorspannung in Abb. 19.2.3 fällt von einem Anfangswert U0 exponentiell auf Null ab. Bei Ladung und Entladung bleibt die Spannung dauernd im positiven Bereich, aber die Stromrichtung ändert sich.

Normierte Funktionen: uC(x)∕ucmax = exp(x) und iC(x)∕icmax = exp(x) mit x = t∕τ.


PIC

Abbildung 19.2.3: Spannung und Strom bei der Kondensatorentladung

Beispiel 19.2.1
(Spule)

Eine Spannungsquelle wird über einen Schalter an eine reale Spule angeschlossen. Auf den Innenwiderstand der Spannungsquelle kann ja verzichtet werden, da in den Gleichungen immer nur die Summe des Innenwiderstandes und des Kupferwiderstandes vorkommt.


PIC

Abbildung 19.2.4: Schaltung zur Messung des Stromanstiegs in einer Spule

  1. Kann man auch eine ideale Spule an eine ideale Spannungsquelle anschließen?
  2. Was passiert, wenn man den geschlossenen Schalter bei einer realen Spule wieder öffnet?
  3. Es ist der zeitliche Verlauf des Spulenstroms mit Hilfe des Verfahrens Trennen der Variablen zu berechnen!

LÖSUNG:

Die Lösung wird in der Vorlesung erarbeitet. Ergebnisse für den Vergleich der eigenen Lösung sind:

     U0-(     − RLt)
iL = R---1-−-e-----

Ergebnis:

Für den Stromanstieg erhalten wir eine formal ähnliche Beziehung wie für den Spannungsanstieg beim Kondensator

     U0 (         )
iL =  --- 1 − e−t∕τ
     R
(19.2.24)

mit der Zeitkonstanten

τ = L ∕R
(19.2.25)

Spannung:

  1. Der Anfangswert des Stromes ist
    iL(t = 0) = 0
    (19.2.26)

  2. Die Spulenspannung ist
            diL-    d-U0-(     − t∕τ)       −t∕τ
uL  = L dt  = L dt R  1 − e      = U0e
    (19.2.27)

  3. Der Anfangswert der Spulenspannung ist
    uL(t = 0) = U0
    (19.2.28)

    Die Spulenspannung springt im Schaltzeitpunkt von dem Wert uL(t0) = 0V auf den Wert uL(t+0) = U0.

3Dieser Anfangszustand hängst natürlich immer von der tatsächlichen Schaltung ab! In dieser Aufgabe sei der Kondensator vollständig entladen gewesen.