2.4 Anwendungen der Kirchhoffschen Gleichungen

2.4.1 Schiebewiderstand ohne Belastung

Frage:

Was ist ein Schiebewiderstand?

Antwort:

Ein Schiebewiderstand mit einem Schleifkontakt dient zur Realisierung eines variablen Widerstandswerts Ra. Die Bauform (siehe Abb. 2.4.1) kann gerade (Schiebewiderstand) oder rund (Potentiometer) sein. Wesentliches Merkmal sind 3 Anschlüsse, wobei über 2 (gleichfarbig oder außen) der komplette Widerstand und über den dritten (anders farbig oder Mitte) der Abgriff zugänglich ist.


PIC

PIC

Abbildung 2.4.1: Verschiedene Schiebewiderstände

Praxis:

Ein variabel in 2 Teile teilbarer Widerstand, dessen variable Teile R und Ra sich immer zur Summe R = R+ Ra ergänzen (siehe Abb. 2.4.2) !


PIC

Abbildung 2.4.2: Prinzip Schiebewiderstand (Potentiometer)

Der Widerstand R setzt sich aus den Teilwiderständen Rund Ra zusammen.

Spannung:

Nach Gln. 2.3.23 (Spannungsteiler) ist die Ausgangsspannung Ua in Abb. 2.4.2 proportional zur abgegriffenen Widerstandslänge.

Werte:

Es gilt allgemein 0 a 1 und speziell Ua = 0 für a = 0 und Ua = U für a = 1.

Aus der Spannungsteilerregel ergibt sich direkt

Ua- = ---Ra--- = aR- =  a
 U    Ra +  R′    R
(2.4.1)

mit a, dem Maß für die Verschiebungsstrecke (oder den Drehwinkel).

Sonderform:

Bei einem logarithmischen Drehwiderstand nimmt der Widerstand bei gleichen Drehwinkeln in Dekaden zu (1 bis 10 Ω, 10 bis 100 Ω, 100 bis 1000 Ω, usw.).

Anwendung: In der Rundfunktechnik als Lautstärkeregler. Aufgrund der ebenfalls logarithmischen Charakteristik des Ohres erscheint dann bei gleichen Drehwinkeln die Lautstärke entsprechend linear zuzunehmen.

2.4.2 Schiebewiderstand mit Belastung

Belastung:

Gln. 2.4.1 ist nur gültig ohne Belastung des Schleifers. Die Charakteristik ändert sich, wenn entsprechend Abb. 2.4.3 aus dem Abgriff ein Strom entnommen wird.


PIC

Abbildung 2.4.3: Schiebewiderstand mit Belastung

Frage:

Wie groß ist die Spannung Ua = f(a,R,RV ,U)?

Bevor wir rechnen eine Verständnisfrage: Wird die Spannung größer oder kleiner bei Belastung?

Ströme:

Für die Ströme können wir schreiben

        U     U
Ia  =   -a-=  -a-
        Ra    aR
        Uv-   Ua-
Iv  =   R  =  R                           (2.4.2)
         v     v
Weiterhin gilt für die Stromsumme im Knoten
              Ua    Ua
I = Ia + Iv = ---+  ----
              aR    RV
(2.4.3)

Spannungen:

Andererseits ist die Spannung in der Masche

U  = U ′ + Ua
(2.4.4)

Mit der Teilspannung

U′ = IR ′ = IR (1 − a)
(2.4.5)

erhalten wir dann erstmals ein Ergebnis

U   =   IR (1 − a ) + Ua
        ( Ua    Ua )
    =    aR- + R---  R(1 − a) + Ua                 (2.4.6)
                 V
Mathematik:

Division durch Ua ergibt den Quotienten

         (          )
-U-  =    -1- + -1--  R(1 − a) + 1
Ua        aR    RV
         RV  + aR             aRV
     =   ---------R (1 − a) + -----
         a ⋅ R ⋅ RV           aRV
         (RV-+--aR-)(1-−-a)-+-aRV--
     =             aRV                             (2.4.7)
Ergebnis:

Mit dem Kehrwert wird das Ergebnis zu

Ua                 aRV
---  =   -------------------------
U        (RV  + aR )(1 − a) + aRV
     =   ----------------a------------------
         R1V (RV + aR  − aRV  − a2R +  aRV )
                a                  a
     =   -----R------2 R-=  ------R--------            (2.4.8)
         1 + a RV − a RV    1 + aRV (1 − a)

Falls kein Verbraucher angeschlossen ist (RV = ), so folgt R∕RV = 0 und wir erhalten damit wieder das Ergebnis von Gln. 2.4.1.

2.4.3 Vorwiderstand

Vorwiderstand:

Ein Schiebewiderstand kann auch als Vorwiderstand für einen Verbraucher (z.B. Glühbirne) eingesetzt werden, um eine Spannungsanpassung vorzunehmen (siehe Abb. 2.4.4) .


PIC

Abbildung 2.4.4: Schaltung zum Vorwiderstand

Strom:

Der gemeinsame Strom I der Reihenschaltung erzeugt am Verbraucher den Spannungsabfall UV = IRV . Der Strom berechnet sich zu

I = U0--= ----U0---                          (2.4.9)
    RG    aR  + RV
Spannung:

Damit erhalten wir entsprechend der Spannungsteiler-Regel

                 U0            U0
UV =  IRV  = ---------RV  =  -R------
             aR  + RV        RV a + 1
(2.4.10)

UV min:

Für Ra = R (bei a = 1) erhalten wir die minimale Verbraucherspannung zu

           U0        RV
UVmin = -R----- =  -------U0
         RV + 1    RV +  R
(2.4.11)

Die Verbraucherspannung kann demnach nicht zu Null werden. Speziell für R = RV wird UV = U02.

UV max:

Für Ra = 0 (bei a = 0) erhalten wir die maximale Verbraucherspannung zu

UV  = U0
(2.4.12)

Problem:

Die Verlustleistung geht im Vorwiderstand als Wärme „verloren“.

Beispiel 2.4.1
(Reihe)

Eine elektrische Weihnachtsbaumbeleuchtung soll mit einem veränderlichen Vorwiderstand so eingestellt werden, dass die 15 Kerzen einmal volle und einmal halbe Spannung erhalten. Bei voller Lichtstärke erhält jede Kerze I = 0,7 A, wobei die Kerzen am Lichtnetz mit U = 220 V betrieben werden.

  1. Auf welche Spannung ist jede Kerze ausgelegt?
  2. Wie groß muss der Vorwiderstand sein, damit jede Kerze nur noch mit halber Spannung betrieben wird?
  3. Entspricht Abb.2.4.5 der Aufgabenstellung?

PIC


Abbildung 2.4.5: Weihnachtsbaumbeleuchtung als Problem

Lösung:

Die Lösung wird in der Vorlesung erarbeitet. Ergebnisse für den Vergleich der eigenen Lösung sind:

      U-   220-V-
Uk =  n =    15  =  14,67-V--

und

       15
      ∑            Uk-
RV  =    Rk  = 15 ⋅Ik =  314,36Ω--
      k=1

2.4.4 Strommesser

Frage:

Was ist ein Strommesser?

Antwort:

Ein zusätzlicher Widerstand im Stromkreis, da es in der Praxis nur reale Messgeräte mit Innenwiderständen gibt! Ein digitales und ein analoges Multimeter (Vielfachmessgerät für Widerstand, Spannung oder Strom) sind in Abb. 2.4.6 zu sehen.


PIC

PIC

Abbildung 2.4.6: Digitale und analoge Vielfachmessgeräte

Welchen Innenwiderstand hat ein ideales Amperemeter?

Prinzip:

Bei üblichen Strommessern ist der Vollausschlag schon bei sehr kleinen Strömen (μA) erreicht. Zur Messung größerer Ströme muss der Überstrom am Messwerk über einen Nebenwiderstand (Shunt) vorbeigeleitet werden (siehe Abb. 2.4.7) .

Digitale oder analoge Vielfachmessgeräte können entweder zur Strom- oder zur Spannungsmessung verwendet werden. Analoge Messgeräte sind immer seltener anzufinden.


PIC

Abbildung 2.4.7: Erweiterung des Strommessbereiches

Zahlen:

Ein Messwerk habe den Innenwiderstand Ri = 333 Ω und einen Vollausschlag beim Strom I0 = 0,3 mA. Es soll ein Strom von IM = 6 A gemessen werden. Der Überstrom

Ip = IM − I0 = 5,9997 A

muss am Messwerk vorbei fließen.

 

Es tritt nach dem Ohm’schen Gesetz ein Spannungsabfall

U0 =  I0Ri =  99,9mV

bei Vollausschlag an Messwerk und Nebenwiderstand auf. Damit wird

        U            U ∕I          R
Rp =  ----0---=  -----0--0-----=  ---i--
      IM − I0    IM∕I0 − I0∕I0    n − 1

Realisierung: Ein dickeres Drahtstück.

Praxis:

Die Erweiterung des Strombereiches um den Faktor n = IM∕I0 erfordert (im Beispiel) einen Nebenwiderstand Rp = Ri(n 1) = 333 Ω(20 000 1) = 0,016 65 Ω.

In Abb. 2.4.8 ist die Erweiterung eines Amperemeters mit mehreren Messbereichen zu sehen.


PIC

Abbildung 2.4.8: Realisierung eines Amperemeters mit 4 Messbereichen

2.4.5 Spannungsmesser

Prinzip:

Zur Messung kleiner Spannungen muss der Vollausschlag des Spannungsmessers schon bei sehr kleinen Spannungen (μV ) erreicht sein. Bei größerer Spannungen fällt die Überspannung an einem Reihenwiderstand ab (siehe Abb. 2.4.9) .


PIC

Abbildung 2.4.9: Erweiterung des Spannungsmessbereiches

Zahlen:

Gegeben sei dasselbe Messwerk mit Innenwiderstand Ri = 333 Ω und Vollausschlag bei U0 = 100 mV. Es soll eine Spannung von UM = 220 V gemessen werden. Die Überspannung

Uv =  UM  − U0 = 219,9 V

muss vor dem Messwerk am Vorwiderstand abfallen.

 

Durch Messwerk und Vorwiderstand fließt bei Vollauschlag der Strom

     U     100 mV
I0 = --0 = --------=  0,300 mA
     Ri     333 Ω

Nach dem Ohmschen Gesetz ergibt sich dann

R  =  Uv-=  UM--−-U0-=  UM-∕U0-−--U0∕U0- = n-−-1-
  v   I0       I0            I0∕U0         1 ∕Ri

Praxis:

Die Erweiterung des Spannungsbereiches um den Faktor n = UM∕U0 erfordert (im Beispiel) einen Vorwiderstand Rv = Ri(n 1) = 333 Ω (2200 1) = 732,3 kΩ.

In Abb. 2.4.10 ist die Erweiterung eines Voltmeters mit mehreren Messbereichen zu sehen.


PIC

Abbildung 2.4.10: Realisierung eines Voltmeters mit 4 Messbereichen

2.4.6 Spannungs- und Strommessung

Strommesser:

Immer in Reihe zum Verbraucher, da der Strom in der Serienschaltung überall gleich groß ist.

Spannungsmesser:

Immer parallel zum Verbraucher, da die Spannung bei einer Parallelschaltung gleich groß ist.

Leistungsmessung:

Bei gleichzeitiger Messung von Strom und Spannung eines Verbrauchers zur Leistungsmessung tritt immer ein prinzipieller Messfehler auf, da nicht beide Bedingungen gleichzeitig erfüllbar sind.


PIC

PIC

Abbildung 2.4.11: Spannungsrichtige oder stromrichtige Messung am Verbraucher

Es sind 2 Schaltungen entsprechend Abb. 2.4.11 möglich, deren Auswahl nach den Eigenschaften des Verbrauchers getroffen werden muss.

Beispiel 2.4.2
(Messung)

Geben sei ein sehr gutes Amperemeter mit einem Innenwiderstand RiA = 1 Ω und ein sehr gutes Voltmeter mit einem Innenwiderstand RiV = 1 MΩ.

Welche Schaltung soll zur Leistungsmessung verwendet werden bei einem Widerstand Ra1 = 1 Ω und bei Ra2 = 1 MΩ?

Lösung:

Die Lösung wird in der Vorlesung erarbeitet. Ergebnisse für den Vergleich der eigenen Lösung sind:

Stromrichtige Messung bei RiA Ra

Spannungsrichtige Messung bei RiV Ra

2.4.7 Wheatstonesche Brückenschaltung

Brückenschaltung:

Sie besteht entsprechend Abb. 2.4.12 aus 4 Widerständen, von denen je 2 in Reihenschaltung als Parallelschaltung an der Spannungsquelle sind.


PIC

Abbildung 2.4.12: Wheatstonesche Brückenschaltung

Spannung:

In den Brückenwiderständen R1R4 entstehen die Spannungsabfälle U1U4, wodurch sich i.a. auch eine Spannung U50V zwischen den Punkten (A) und (B) einstellt.

Die 4 Widerstände so wählen, dass die Brückenspannung U5 = 0V und somit I5 = 0 A wird.

Strom:

Das Ergebnis einer längeren Rechnung (Anwendung von Knoten- und Maschenregel, siehe Übung) liefert15

                     U0 (R2R3  − R1R4  )
I5 = (R--+-R--)(R-R--+--R-(R--+--R-)) +-R-R--(R--+-R--)
        1    3   2  4    5   2    4      1  3  2     4
(2.4.13)

Damit I5 = 0 ist muss der Zähler zu Null werden

R2R3 −  R1R4  = 0
(2.4.14)

Praxis:

In der Praxis wird diese Bedingung über die Widerstandsverhältnisse der Parallelzweige definiert zu

R1- = R3-
R2    R4
(2.4.15)

oder gleichwertig über die Widerstandsverhältnisse der Reihenzweige zu

R1    R2
--- = ---
R3    R4
(2.4.16)

Messgerät:

Abb. 2.4.13 zeigt die Verwendung als Messprinzip für die Messung von Widerständen.


PIC

Abbildung 2.4.13: Bestimmung von Widerständen mit der Wheatstoneschen Brückenschaltung

Prinzip:

Das Brückeninstrument M hat den Nullpunkt in der Mitte. Die Widerstände R2 und R4 werden als Teilwiderstände eines Schiebewiderstandes (Drehwiderstandes) realisiert.

Zur Messung wird der unbekannte Widerstand Rx anstelle von R3 angeschlossen und der Schleifer solange gedreht, bis das Instrument keinen Ausschlag mehr anzeigt.

Rechnung:

Aus der Abgleichbedingung in Gln. 2.4.15 ergibt sich direkt der unbekannte Widerstand zu

Rx =  R1R4--= R1 l4
       R2        l2
(2.4.17)

Praxis:

Mechatronik:

Abb. 2.4.14 zeigt die Verwendung als zeitabhängiger Schreiber (x(t)-Schreiber) einer beliebigen physikalischen Größe bei Wahl eines geeigneten Messfühlers.


PIC

Abbildung 2.4.14: Brückenschaltung im Kompensationsschreiber

Als Messfühler kann z.B. ein temperaturabhängiger Widerstand eingesetzt werden.

Aufbau:

Anstelle des Messinstrumentes wird die Brückenspannung U5 einem Verstärker zugeführt, dessen Ausgangsspannung einen Motor antreibt, der über eine geeignete Mechanik den Abgriff des Schiebewiderstandes verschiebt, an dem zusätzlich ein Schreibstift angebracht ist.

Prinzip:

Beispiel 2.4.3
(Brücke)

Das Instrument im Brückenzweig der Schaltung mit den Werten R2 = 1 kΩ, R3 = 1 kΩ, R4 = 1 kΩ und U = 12 V misst, ohne die Brücke zu belasten, zwischen A und B eine Spannung UAB = 2,2 V.
PIC

Der Widerstand R(T) ist ein NTC-Widerstand mit dem Temperaturbeiwert von B = 4000 K und einem Kaltwiderstand (bei 298 K, entsprechend 25 C) von R 25 = 1300 Ω.

Welcher Temperatur ist er ausgesetzt?

Lösung:

Die Lösung wird in der Vorlesung erarbeitet. Ergebnisse für den Vergleich der eigenen Lösung sind:

                   ∘
T = 322,8 K = 49,8--C

15Siehe Kap. 3.3, Netzwerkberechnung mit Ersatzquellen