9.8 Verzerrungen

Praxis NT:

Der Klirrfaktor6 erfasst den unerwünschten Einfluss einer nichtlinearen Schaltung auf den Strom bei einer sinusförmigen Wechseleingangsspannung:

Anwendung in der Nachrichtentechnik

Praxis AT:

Die Verzerrungsblindleistung7 erfasst den unerwünschten Anteil der Blindleistung, die in einem Wechselnetz durch einen nichtlinearen Verbraucher bei einer sinusförmigen Wechseleingangsspannung entsteht:

Anwendung in der Automatisierungstechnik

9.8.1 Lineare Verzerrungen

Linear:

In einer linearen Schaltung mit linearen Bauelementen Widerstand R = const, Kondensator C = const und Spule L = const, die Ein- und Ausgangsgrößen unterschiedlicher Kurvenformen aufweisen, spricht man von linearen Verzerrungen. Dabei gilt dass

Widerstand:

Ein Widerstand verändert die Kurvenform nicht.

Spule:

Fließt ein Strom in Form einer Fourierreihe durch die Spule, so wird die Amplitude der ν-te Teilschwingung der Spannung an der Spule mit Differentiation zu

       d
uL = L --ˆiν sin(νωt + φν) = L νωˆiν cos(νωt + φν)
       dt
(9.8.1)

Multiplikation der Teilschwingungsamplitude ûL mit νω wodurch höherfrequente Anteile verstärkt werden.

Kondensator:

Fließt ein Strom in Form einer Fourierreihe durch den Kondensator, so wird die Amplitude der ν-te Teilschwingung der Spannung am Kondensator mit Integration zu

         ∫                         ˆ
uC  = -1   ˆiν sin(νωt + φ ν) dt = −-iν--cos(νωt + φν)
      C                           Cν ω
(9.8.2)

Division der Teilschwingungsamplitude ûC durch νω wodurch höherfrequente Anteile gedämpft werden.

9.8.2 Nichtlineare Verzerrungen

Verzerrung:

In einer nichtlinearen Schaltung treten trotz sinusförmiger Spannung u(t) nicht sinusförmige Ströme i(t) auf. In Abb. 9.8.1 ist beispielhaft die Kennlinie eines nichtlinearen Widerstandes dargestellt. Weitere nichtlineare Bauelemente sind Gleichrichter, stromabhängige Induktivitäten oder Dioden und Transistoren.


PIC

Abbildung 9.8.1: Stromverzerrung an einem nichtlinearen Bauelement bei Sinusspannung

Definition:

Der Schwingungsgehalt (s) einer Mischgröße wird nach DIN 40110 für einen Strom (si) definiert als Quotient der Effektivwerte von Wechselanteil und Gesamtgröße8

         I∼
s = si = ---
         I
(9.8.3)

mit dem Effektivwert des Wechselstromanteils entsprechend Gln. 9.7.6

                 ┌ ------
     ∘ -2----2   ││ ∑n   2
I∼ =   I  − I0 = ∘     Iν
                   ν=1
1. FRAGE:

Was war noch einmal eine Mischgröße?

2. FRAGE:

Wie groß ist der Schwingungsgehalt einer Wechselgröße?

Speziell:

Für reine Wechselgrößen ist der Gleichanteil I0 = 0 und somit wird I = I. Damit hat der Schwingungsgehalt keine Aussage mehr und man definiert stattdessen den Grundschwingungsgehalt als Quotienten der Effektivwerte von Grundschwingung und der gesamten Wechselgröße

g =  I1-= I1
     I∼    I
(9.8.4)

Definition:

Als Oberschwingungsgehalt oder Klirrfaktor einer Wechselgröße bezeichnet man den Quotienten aus dem Effektivwert aller Oberschwingungen (für ν 2) und der gesamten Wechselgröße

    ∘ -n----
       ∑  Iν2   ∘ -2----2     ------
    --ν=2---   --I--−-I1   ∘      2
k =    I    =      I     =   1 − g
(9.8.5)

Der Klirrfaktor ist der Grad der Verzerrung, um den die Kurvenform einer Wechselgröße von der Sinusform abweicht9.

Wirkleistung:

Nach Voraussetzung enthält die Sinusspannung

u  = U  sin ωt
 1    1
keine Oberwellen und damit enthält auch die Wirkleistung nach Gln. 9.7.15 keine Stromoberwellenanteile
             n
P = U  I +  ∑  U I  cosφ  =  U I cos φ
      0 0   ν=1  ν ν      ν    1 1     1
    ◟---------◝◜---------◞
           Gln.9.7.15
(9.8.6)

Scheinleistung:

Für die Scheinleistung nach Gln. 9.7.16 ergibt sich analog

                         ┌│ ∑n----
S  =   U I    = U1I = U1 │∘    I2
       ◟◝◜◞                ν=0 ν
     Gln.9.7.16
(9.8.7)

Blindleistung:

Bei der Blindleistung liefert der gleiche Ansatz mit

                  ┌ ------------------------
     √ --------   ││    ∑n
Q =    S2 − P 2 = ∘ U21    I2ν − U12I21 cos2φ1
                       ν=0
(9.8.8)

die beiden Anteile Grundschwingungsblindleistung und Verzerrungsleistung.

Umformen:

Durch Sortieren nach den Stromfunktionen wird daraus

     ∘ ------------------------------------------
Q  =   U 21I21(1 − cos2φ1) + U12(I20 + I22 + I23 + ...)
(9.8.9)

Berücksichtigt man, dass

sin2φ1 =  1 − cos2φ1
ist, so bekommt man die Grundschwingungsblindleistung als Funktion der Phasenverschiebung zu
Q1  = U1I1 sin φ1
(9.8.10)

und die Oberschwingungsblindleistung oder Verzerrungsleistung verursacht durch die Stromoberschwingungen zu

          ∘ ------------------
Qdist = U1  I20 + I22 + I23 + ...
(9.8.11)

Ergebnis:

Damit addiert sich die Blindleistung als Summe der Grundschwingungsblindleistung und der Verzerrungsleistung quadratisch zu

     ∘ -----------
        2     2
Q =    Q1 + Q dist
(9.8.12)

6auch Oberschwingungsgehalt oder Verzerrungsgehalt genannt

7auch Oberschwingungsblindleistung oder Verzerrungsleistung genannt

8Der Index i Kennzeichnet dabei den Schwingungsgehalt si des Stromes, er wird im Folgenden weggelassen. Gleiches gilt für gi und ki.

9Ohne Verzerrungen, also für reine Wechselgrößen wird k = 0, da g = 1 ist.