8.5 Kenngrößen von Schwingkreisen

Vergleich:

Ein Vergleich der Berechnungen beim Reihen- mit dem Parallelschwingkreis zeigt ein duales Verhalten:

  1. Der Gleichungsaufbau ist vollkommen identisch.
  2. Um die entsprechenden Gleichungen zu überführen können wechselseitig ersetzt werden:
    • Spannung U und Strom I,
    • Impedanz Z und Admittanz Y ,
    • Widerstand R und Leitwert G,
    • Blindwiderstand X und Blindleitwert Y sowie
    • Kapazität C und Induktivität L.
  3. Es gibt nur eine identische Resonanzkreisfrequenz ωr.
  4. Im Resonanzfall tritt nur der Wirkwiderstand Rr = 1∕Gr nach außen in Erscheinung.
  5. Für den Kennwiderstand und den Kennleitwert gilt XKr = 1∕BKr.

Einführung gemeinsamer Kenngrößen!

Frequenz:

Zur besseren Darstellung der Frequenzabhängigkeit der Blindwiderstände wird die normierte Frequenz definiert zu

     ω--  -f
Ω =  ωr = fr   →     ω = ωrΩ
(8.5.1)

Damit werden z.B. die Blindwiderstände des Reihenschwingkreises zu

XL    = ωLr  = Ω ωrLr = ΩXLr     = ΩXkr                (8.5.2)
                                      1
XC   = − ω1Cr-= − Ωω1rCr =  1ΩXCr   = − --XKr             (8.5.3)
                                     Ω
XB:

Die Abhängigkeit der Summe der Blindwiderstände wird damit

                             1
XB   =  XL  + XC  = ΩXKr   − --XKr
        (       )            Ω
     =    Ω − -1  X    = vX                        (8.5.4)
              Ω     Kr      Kr
v:

Als relative Verstimmung wird jetzt definiert

         1    ω     ωr    f   fr
v = Ω −  --=  ---−  ---= -- − --
         Ω    ωr    ω    fr    f
(8.5.5)

Impedanzen:

Die normierte Darstellung der Frequenzabhängigkeiten in Abb. 8.5.1 zeigt den prinzipiellen Verlauf losgelöst von tatsächlichen Schaltungswerten. 10


PIC
Abbildung 8.5.1: Normierte Frequenzabhängigkeiten der Blindwiderstände bei einem Reihenschwingkreis

BB:

Analog ergibt sich für den Parallelschwingkreis die Abhängigkeit der Summe der Blindleitwerte zu

B   = B   + B  =  vB
  B     C     L      Kr
(8.5.6)

Normiert:

Wird die Impedanz Z der Reihenschaltung auf den Wert bei der Resonanzfrequenz normiert, so ergibt sich mit der relativen Verstimmung v

-Z- = Rr-+--jXBr-=  1 + jXBr- = 1 + jXKr--v
Zr        Rr              Rr          Rr
(8.5.7)

Wird die Admittanz Y der Parallelschaltung auf den Wert bei der Resonanzfrequenz normiert, so ergibt sich analog

 Y-   Gr  + jBBr         BBr         BKr
--- = ----------- = 1 + j---- = 1 + j---- v
Y-r       Gr              Gr          Gr
(8.5.8)

Güte:

Aus beiden Gleichungen kann nun die Kreisgüte, der Gütefaktor oder die Resonanzschärfe definiert werden. Beim Reihenschwingkreis erhalten wir

Qr  = XKr--
       Rr
(8.5.9)

Die Güte ist ein Maß für die Schwingungsintensität bei Resonanz, also die Resonanzverstärkung der Spannung an den Blindkomponenten.

Beim Parallelschwingkreis erhalten wir entsprechend

      BK     XK1-    Rr
Qr =  ---r = --1r =  -----
      Gr      Rr     XKr
(8.5.10)

Die Güte ist ein Maß für die Resonanzverstärkung des Stromes. Ein Reihen- und Parallelschwingkreis aus denselben Bauelementen hat entweder Spannungs- oder Stromresonanz, nie beides gleichzeitig11.

Dämpfung:

Der Kehrwert der Kreisgüte ist die Dämpfung

      1--
dr =  Qr
(8.5.11)

FRAGE:

Eine gegebene RLC-Reihenschaltung mit der Impedanz ZRLC wird an die Spanungsquelle U angeschlossen. Wie groß ist die Spannung URLC an der Impedanz bei der Resonanzfrequenz?

ANTWORT:

 

Bedeutung:

Der Amplituden- bzw. Phasengang in Abb. 8.5.2 verläuft um so steiler, je kleiner die Dämpfung dr bzw. je größer die Güte Qr des Kreises ist.


PIC
Abbildung 8.5.2: Definition der Bandbreite bei einem Reihenschwingkreis

Bandbreite:

Zur Objektivierung der subjektiven Beurteilung der Resonanzkurven wird die Kenngröße Bandbreite definiert

bω = ω2 − ω1
(8.5.12)

bei dem der Betrag des Blindwiderstand gleich dem ohmschen Widerstand ist12

|XBr | = Rr
(8.5.13)

Mit der Kreisgüte Qr und der relativen Verstimmung v ist das bei einem Reihenschwingkreis gleichbedeutend mit

XBr-   XKr--                        -1-
 R   =  R   v = Qrv =  1   →    v = Q
  r       r                           r
(8.5.14)

Dieser Zusammenhang ist z.B. in Abb. 8.5.2 besonders gut sichtbar.

Strom:

Zur Bestimmung der Bandbreite aus dem Verlauf des Betrages der Schwingungsgröße gehen aus vom Strom

           U              U
I(v) =  ----------=  ------------
        Rr + jXB     Rr + jvXKr
(8.5.15)

Betrag:

Mit dem Betrag des Stromes bei Resonanz

|I(v = 0)| = I(v = 0) = U--
                        Rr
(8.5.16)

und dem Strom bei den Grenzkreisfrequenzen der Bandbreite

I(v = 1∕Q  ) = -----U------
--        r           XKr--
               Rr +  j Qr
                      ◟ ◝◜-◞
                       Rr
(8.5.17)

und dessen Betrag

                   U           U
I(v = 1 ∕Qr) = ∘----------=  --√---
                 R2r + R2r    Rr  2
(8.5.18)

erhalten wir das Verhältnis der Strombeträge beim RLC-Reihenschwingkreis zu

  I(v = 0 )     √--
------------ =   2
I (v =  1∕Qr)
(8.5.19)

Güte:

Zur Bestimmung der Bandbreite aus der Güte bzw. der Dämpfung bei der Resonanz gehen wir von der Impedanz aus, die ihr Betragsminimum für v = 0 hat

|Z-(v = 0)| = |Rr +  jvXKr | = Rr
(8.5.20)

Bei den beiden Grenzkreisfrequenzen ω1,2 ist der Realteil der Impedanz gleich dem Betrag des Imaginärteils

|Im {Z   }| =   Re {Z   }
     -1,2           -1,2
  |v1,2|XKr   =   Rr                           (8.5.21)
Mit der Güte Qr und den Grenzkreisfrequenzen folgt dann direkt
 ω      ω              R         1
 -1,2-− --r- = v1,2 = ∓ --r-=  ∓ ---
◟ωr--◝◜ω1,2◞            XKr    ◟ ◝Q◜r◞
    Teil1                      T eil2
(8.5.22)

Multiplizieren mit ω1,2ωr ergibt die quadratische Gleichung

ω2  ±  ω1,2ωr − ω2 = 0
  1,2     Qr      r
(8.5.23)

Mathematik:

Die allgemeine Lösung einer quadratischen Gleichung der Form

 2
x +  ax − b = 0
(8.5.24)

ist

             ∘ -------
        a-     a2-
x1,2 = − 2 ±   4  + b
(8.5.25)

Da als Lösung nur positive Grenzfrequenzen möglich sind, entfällt die negative Wurzel. Mit den positiven Werten für die Grenzkreisfrequenzen erhalten wir die Nullstellen zu

                     ∘ ---------
ω1  =   − -ωr-+  ωr ⋅  -1--+  1
          2Qr          4Q2r
          ω          ∘ -1-------
ω2  =   + --r +  ωr ⋅  ----+  1                 (8.5.26)
          2Q r         4Q2r
Elektrotechnik:

Die Bandbreite entspricht der Differenz

                ωr-
bω =  ω2 − ω1 = Qr  = ωrdr
(8.5.27)

FRAGE:

Liegt die Resonanzfrequenz genau in der Mitte zwischen der unteren und der oberen Grenzfrequenz?

ANTWORT:

Dazu berechnen wir für den RLC-Reihenschwingkreis:




Induktivität: L = 67,547 H
Kapazität: C = 0,15 µF
Resonanzfrequenz: fr =
Kennwiderstand: XKr =
Widerstand: R = 3,2 kΩ
Güte: Qr =
Untere Frequenz: f1 =
Obere Frequenz: f2 =
Arithmetisches Mittel: fr =
Geometrisches Mittel: fr =



Praxis:

Aus der relativen Verstimmung v1 = 1∕Qr und v2 = 1∕Qr erhalten wir durch Gleichsetzen

        − v1  =  v2
    ωr-  ω1-      ω2-  ωr-
    ω  − ω    =   ω  − ω    | ⋅ ω1 ω2ωr
 2   1   2 r       r 2   22
ωrω2 − ω 1ω2  =  ω1 ω2 − ωrω1
ω2r(ω2 + ω1)  =  ω1 ω2(ω2 + ω1)
           2
         ω r  =  ω√1-ω2--
          ωr  =    ω1 ω2
                 ∘ -----
          fr  =    f1f2                            (8.5.28)
FRAGE:

Können aus der Messung der Spannungsüberhöhung bei Resonanz direkt Kenngrößen von Schwingkreisen berechnet werden?

ANTWORT:

 

Messung:

Die Impedanz eines Reihenschwingkreises bezogen auf die Resonanzfrequenz ist

Z-= R  + jX   = R +  jvX
            B            Kr
(8.5.29)

mit der relativen Verstimmung v und dem Kennwiderstand XKr. Die Spannung am Kondensator ist

U-C = ZC I-
(8.5.30)

mit dem Strom durch die Reihenschaltung

     U-
I-=  --
     Z-
(8.5.31)

und der kapazitiven Impedanz

ZC  =  jXC =  − j-1--
                 ωC
(8.5.32)

Mit der normierten Frequenz Ω und dem Kennwiderstand XKr folgt

            1         1   1        1
ZC  = − j-ω----- = − j-------= − j--XKr
          ωrωrC       Ω ωrC       Ω
(8.5.33)

Spannung:

Damit wird die Spannungsüberhöhung, das Verhältnis der Kondensatorspannung zur Quellenspannung

U-C-   ZC--   -− j-1ΩXKr--
 U- =   Z- =  R + jvX
                      Kr
(8.5.34)

Mit der Resonanzbedingung ω = ωr wird die normierte Frequenz Ω = 1 und die relative Verstimmung v = 0. Dann gilt für das Spannungsverhältnis

UC--= −-jXKr-
U-       R
(8.5.35)

und für den Betrag der Spannungsüberhöhung gilt mit der Güte Q

||UC ||   UC    XK
||---|| = --- = ---r-=  Q
 U-     U      R
(8.5.36)

Analoges gilt für die Spannungsüberhöhung an der Spule, da sich die Summe der Spannungen an der Spule und dem Kondensator bei Resonanz ja zu Null addieren müssen.

10Resonanz: normierte Frequenz Ω = ω∕ωr = 1, bzw. relative Verstimmung v = Ω 1Ω = 0 und normierte Impedanz X∕Xkr = ±1.

11Beim Reihenschwingkreis muss der Reihenwiderstand gegen Null gehen für eine möglichst große Güte und beim Parallelschwingkreis gegen unendlich.

12Oder der Phasenwinkel φ = 45 beträgt