12.6 Die Spule

Spule:

Grundsätzlich hat jeder stromdurchflossene Leiter eine Induktivität L, die das Speichervermögen für das magnetische Feld kennzeichnet.

Als Folge eines Stromes I erhalten wir die Eregung Θ = f(I) und über den Durchflutungssatz die magnetische Feldstärke H = f(Θ). Mit den Materialeigenschaften ergibt sich die magnetiche Flussdichte B = f(H) und über die durchströmte Fläche der magnetische Fluss Φ = f(B).

Das bedeutet, das der magnetische Fluss proportional zum erzeugenden Strom ist

Φ  ∼ I
(12.6.1)

Die Proportionalitätskonstante bezeichnen wir als Induktivität L der Spule30

Φ = LI
(12.6.2)

Induktivität:

Die Induktivität L kennzeichnet die Eigenschaft des Bauteils Spule. Sie gibt den Zusammenhang zwischen dem Strom I als Ursache und dem magnetischen Fluss Φ als Wirkung wieder. Um den Einfluss paralleler Leiter einer Spule systematisch zu erfassen wird der verkette magnetische Fluss einer Spule mit N Windungen definiert zu31

Ψ  = N Φ
(12.6.3)

Damit ist die Induktivität32 einer Spule der Quotient

     Ψ-   N-Φ-
L  =  I =   I
(12.6.4)

Behauptung:

Die Induktivität L und der magnetische Widerstand Rm einer Spule müssen ineinander umrechenbar sein, da sie beide das Bauelement Spule beschreiben.33

                        2
L = f (Rm )  ist L  = N---  ?
                      Rm
(12.6.5)

Einheit:

Die Einheit der Induktivität ist das Henry34

[L ] = H
(12.6.6)

Eine Spule hat die Induktivität L = 1 H, wenn sie bei einem Strom von I = 1 A einen magnetischen Fluss von Φ = 1 V s erzeugt. Typische Induktivitäten liegen für Filter in der Informationstechnik im Bereich von L = µHmH.

Energie:

Die Spule ist wie der Kondensator ein Energiespeicher. Sie speichert magnetische Energie im Luftspalt.

Fragen:

Noch offene Fragen sind:

Bauelement:

Für das Bauelement Spule, bei dem die Induktivität zeitlich konstant ist, machen wir einen Ansatz analog zum Kondensator. Dort galt

    dQ    dCu        du
i = --- = ----C- = C --C-
    dt      dt        dt

Wenn wir die Analogie zwischen elektrischer Ladung Q = CU und magnetischem Fluss Ψ = LI verwenden, sehen wir, dass sich die Kapazität C und die Induktivität L entsprechen. Wir erhalten damit die Spannung an einer Spule zu35

u =  dΨ- = dLiL- = L diL-
     dt      dt       dt
(12.6.7)

Eine Spannung liegt an einer Spule nur solange wie sich ihr Strom zeitlich ändert! Dementsprechend stellt eine Spule für Gleichspannung einen Kurzschluss dar: u = 0 ist ein Kurzschluss!36

Spannung:

Die Höhe der Spannung an einer Spule ist proportional zur Änderungsgeschwindigkeit des Stromes.

Ihr Widerstand „wächst“ damit mit der Frequenz (der Stromänderung), was eine elementare Bedeutung für die Wechselstromtechnik hat.

Strom:

Ist die Spannung gegeben, die an einer Spule anliegt, so erhalten wir aus Gln. 12.6.7 mit

Ldi = udt = dΨ
(12.6.8)

den Strom nach der Integration von

 i(∫t)     1 ∫t       1 ∫t
    di = --  udt =  --  dΨ
i(t0)      L t0        L t0
(12.6.9)

zu

                ∫t
i(t) = i(t0) + 1-  dΨ  = i(t0) + 1-[Ψ(t) − Ψ(t0)]
              L                L
                t0
(12.6.10)

Aussagen:

Es lassen sich folgende Aussagen festhalten:

  1. Die Speicherwirkung der Spule zeigt sich darin, dass der Spulenstrom i von einem Anfangsstrom i(t0) abhängt, dem so genannten Anfangswert.
  2. Wird ein durch eine Spule fließender Strom i plötzlich abgeschaltet, so entsteht anfangs eine sehr hohe Spannung, da das Magnetfeld der Spule durch die Spannung versucht, den alten Zustand zu erhalten. Spulenströme sollten daher nicht abrupt abgeschaltet werden.
  3. Ein Stromsprung an der Spule ist nicht möglich, da sich die gespeicherte magnetische Energie (und damit der Strom) nur stetig ändern kann. Ein Spannungsstoß hingegen ist möglich und zudem u.U. sehr gefährlich!
Schalten:

Werden Netzwerke mit Spulen ein- oder ausgeschaltet (an Gleich- oder Wechselspannung) so folgt aus der Stetigkeit des Spulenstroms, dass i(t+0) = i(t0) ist37. Es existieren damit beim Spulenstrom keine Sprungstellen, es können aber Knickstellen (Sprünge in der 1. Ableitung, der Steigung) vorhanden sein.

Energie:

Die Spule ist ein Energiespeicher. Die Spule speichert Energie im Magnetfeld.

Nächste Frage: Welche Energie hat sie gespeichert, wenn ein Strom I durch sie fließt?

Antwort:

Während des Aufbaus des Magnetfeldes sind sowohl der Spulenstrom als auch die Spannung eine Funktionen der Zeit. In einer infinitesimal kleinen Zeit gilt für die Leistung p = iu. Die Spulenspannung kann durch Gln. 12.6.7 ersetzt werden und wir erhalten die aufgenommene Energie zu

dW  = pdt = iudt = iL didt = Lidi
                      dt
(12.6.11)

Die gespeicherte Energie nach Abschluss des Ladevorgangs38 erhalten wir durch Integration über den Spulenstrom von i = 0 bis i = I und mit (Gln. 12.6.4) Ψ = LI

       ∫I      1   2   1      L    1Ψ2
W  = L   idi = --LI  = --ΨI ⋅ --=  ----
       0       2       2      L    2 L
(12.6.12)

30Analog zum Kondensator im elektrischen Feld bei dem die Proportinonalität der gespeicherten Ladung zur anliegenden Spannung Q U über die Kapazität bestimmt wurde zu Q = CU

31Obwohl der Verschiebungsfluss des elektrischen Feldes Ψ = DA und der verkette magnetische Fluss Ψ = NΦ das selbe Formelzeichen haben, sind die beiden Größen wesensfremd.

32Wir werden später noch die Selbstinduktivität und die Gegeninduktivität einführen.

33Können Sie das beweisen? Setzen Sie dazu in die Definition der Induktivität zuerst die magnetische Flussdichte und danach die magnetiche Feldstärke ein!

34Zu Ehren von Joseph Henry, 1797 – 1878, amerikanischer Physiker.

35Wir werden diese Gleichung später aus dem Induktionsgesetz herleiten.

36Analog beim Kondensator: Ein Strom fließt durch einen Kondensator nur solange wie sich dessen Spannung zeitlich ändert! Dementsprechend stellt ein Kondensator für Gleichspannung eine Unterbrechung dar: i = 0 ist eine Unterbrechung!

37Anwendung in GdE 2 bei den Anfangsbedingungen der DGLs bei Schaltvorgängen.

38Analog zum Kondensator, Gln. 10.3.9